Die Geschichte des Maßnahmenvollzug

Am 1. Jänner 1975 traten das Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, und mit ihm die so genannte Zweispurigkeit des Sanktionensystems (zu den Strafen kamen die vorbeugenden Maßnahmen hinzu) in Kraft. An freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahmen brachte die damalige Strafrechtsreform die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (nach § 21 Abs. 1 StGB für zurechnungsunfähige geistig abnorme Rechtsbrecher und nach §21 Abs.2 StGB für zurechnungsfähige geistig abnorme Rechtsbrecher), die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher (nach § 22 StGB) sowie die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter (nach § 23 StGB). Vollzogen werden sollten diese Maßnahmen grundsätzlich in eigenen Anstalten. Das Strafvollzugsanpassungsgesetz 1974, BGBl. Nr. 424/1974, sah jedoch für die Unterbringung in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher Übergangsregelungen vor, denen zufolge bis zur Aufnahme des Betriebes der erforderlichen Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher Unterbringungen nach § 21 Abs. 1 StGB in (so die damalige Bezeichnung) öffentlichen Krankenanstalten für Geisteskranke und Unterbringungen nach § 21 Abs. 2 StGB in Sonderanstalten oder in besonderen Abteilungen der Strafvollzugsanstalten vollzogen werden sollten. Diese Übergansregelungen sollten ursprünglich längstens bis zum 31. Dezember 1984 dauern. In der Folge wurden sie zunächst noch bis 31. Dezember 1986 verlängert (BGBl. Nr. 455/1984) und dann noch einmal bis 31. Dezember 1987 (BGBl. Nr. 545/1986), bevor sie das Strafrechtsänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 605/1987 (StRÄG 1987), zum im Wesentlichen bis heute geltenden Dauerrechtszustand machte.

Der Rechtsrahmen für den Vollzug der Unterbringung im Maßnahmenvollzug war und ist im Strafvollzugsgesetz (StVG) geregelt.

Als Zweck der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gibt § 164 Abs. 1 StVG vor, dass „die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher die Untergebrachten davon abhalten (soll), unter dem Einfluss ihrer geistigen oder seelischen Abartigkeit mit Strafe bedrohte Handlungen zu begehen. Die Unterbringung soll den Zustand der Untergebrachten soweit bessern, dass von ihnen die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen nicht mehr zu erwarten ist, und den Untergebrachten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen.

Diese Bestimmung gilt unverändert bis heute.

An besonderen Behandlungsbestimmungen sieht § 165 Abs. 1 Z 1 StVG für den Vollzug der Maßnahme nach § 21 Abs. 1 StGB vor, dass die Untergebrachten unter Berücksichtigung ihres Zustandes zur Erreichung der Vollzugszwecke und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten so zu behandeln seien, wie es den Grundsätzen und anerkannten Methoden der Psychiatrie, Psychologie und Pädagogik entspricht. Ähnlich bestimmt § 166 StVG für den Vollzug der Maßnahme nach § 21 Abs. 2 StGB, dass die Untergebrachten zur Erreichung der Vollzugszwecke entsprechend ihrem Zustand ärztlich, insbesondere psychotherapeutisch, psychohygienisch und erzieherisch zu betreuen seien. Im Übrigen verweist § 167 StVG unter der Überschrift „ergänzende Bestimmungen“ großflächig auf für den Vollzug von Freiheitsstrafen geltende Bestimmungen des StVG, wobei von den Vorgaben des StVG in dem für die Behandlung und Betreuung erforderlichen Maß abgewichen werden darf; soweit das StVG den Strafgefangenen Rechte einräumt, dürfen diese bei Untergebrachten jedoch nur insoweit beschränkt werden, als dies zur Erreichung der vorgenannten Zwecke unerlässlich ist.

Auch dieses Unterbringungsregime gilt im Wesentlichen bis heute unverändert.

Auch wenn das Maßnahmenvollzugsrecht in seinem Kernbestand seit nunmehr fast 50 Jahren unverändert geblieben ist, gab es in der Vergangenheit doch auch einige nicht unwesentliche Modifikationen:

  • So wurde mit dem StRÄG 1987 das Institut der Unterbrechung der Unterbringung für therapeutische Zwecke und zur Vorbereitung auf das Leben in Freiheit geschaffen (§ 166 StVG), überdies eine Rechtsgrundlage für eine Kostenübernahme durch den Bund im Falle von Therapieweisungen (§ 179a Abs. 2 StVG).
  • Mit der Strafvollzugsnovelle 1993, BGBl. Nr. 799/1993, wurde für jene Untergebrachten, die in einer psychiatrischen Krankenanstalt angehalten werden, ein Verweis auf die §§ 33 bis 38 UbG aufgenommen (§ 167a Abs. 2 StVG), sodass insofern schon damals wenigstens zum Teil eine Gleichbehandlung von zivilrechtlich und strafrechtlich in psychiatrischen Krankenanstalten Untergebrachten hergestellt wurde.
  • Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2001, BGBl. I Nr. 130/2001, wurde die Möglichkeit der bedingten Nachsicht der Unterbringung nach § 21 StGB geschaffen, ebenso aber die Möglichkeit, die Probezeit mehrfach, unter Umständen bis zum Lebensende einer entlassenen Person, zu verlängern (§ 54 Abs. 3 StGB).
  • Mit dem 2. Gewaltschutzgesetz 2009, BGBl. I Nr. 40/2009, wurde die Möglichkeit der Kostenübernahme durch den Bund bei Therapieweisungen auch im Falle der bedingten Nachsicht der Unterbringung nach § 21 StGB geschaffen (§ 51 Abs. 5 StGB). Außerdem wurde die Kostendeckungsmöglichkeit des Bundes auf Therapieweisungen in Bezug auf sozialtherapeutische Wohneinrichtungen ausgedehnt.
  • Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 11/2010, wurden Vermögensdelikte als Anlasstaten für Unterbringungen nach § 21 StGB ausgeschlossen, es sei denn, sie wurden unter Anwendung von Gewalt gegen eine Person oder unter Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) begangen.
  • Mit der Novelle BGBl. I Nr. 2/2013 wurde eine Rechtsgrundlage für die Anhaltung von nach § 21 Abs. 1 StGB Untergebrachten in dafür besonders bestimmten Außenstellen der Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen geschaffen.

Neben diesen Reformschritten in Österreich ging die Rechtsentwicklung aber sowohl auf internationaler Ebene als auch im benachbarten Ausland weiter.A. 3. 1. Im Jahr 2008 hat Österreich die 2006 angenommene VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert (BGBl. III Nr. 155/2008; CRPD). Art. 14 dieser Konvention normiert unter dem Titel „Freiheit und Sicherheit der Person“ unter anderem, dass „das Vorliegen einer Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsentziehung rechtfertigt“ (Abs. 1 lit. b letzter Halbsatz). Menschen mit psychischen Störungen im Sinne der strafrechtlichen (und zivilrechtlichen) Unterbringung gelten zwar als Menschen mit Behinderungen und fallen daher grundsätzlich in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung. Nach herrschender österreichischer Auffassung sind jedoch sowohl die zivilrechtliche als auch die strafrechtliche Unterbringung grundsätzlich mit Art. 14 Abs. 1 lit. b letzter Halbsatz CRPD vereinbar. Zur Interpretation dieser Bestimmung gibt es verschiedene Ansichten, u.a. auch jene, dass eine Anhaltung in einer psychiatrischen Einrichtung immer die Zustimmung der betroffenen Person voraussetzt, dass also Zwangsunterbringungen immer unzulässig sind. Diese Interpretation, die auch vom Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen nach Art. 34 ff CRPD vertreten wird, ist jedoch in Österreich nicht herrschend. Vielmehr wird die Bestimmung in Übereinstimmung mit dem Standard des Europäischen Menschenrechtsschutzes (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. e EMRK, der Freiheitsentziehung aufgrund psychischer Krankheit zulässt) so verstanden, dass eine Freiheitsbeschränkung zwar nicht alleine aufgrund der Behinderung, sehr wohl jedoch zulässig ist, wenn eine (Selbst- oder Fremd-)Gefährdung hinzutritt (siehe Ganner, Zur Notwendigkeit der Neuregelung des Maßnahmenvollzugs, iFamZ 2015, 213 (214) mwN; im Ergebnis wohl auch Birklbauer, Die UN- Behindertenrechtskonvention und das österreichische Maßnahmenrecht: Ein (un)lösbares Dilemma, Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Volume 22, 2015 (3), 208 (216 f); aA offenbar Committee on the Rights of Persons with Disabilities, Statement on article 14 of the Convention on the Rights of Persons with Disabilities, adopted in September 2014 (see CRPD/C/12/2, Anhang IV); Guidelines on article 14 of the Convention on the Rights of Persons with Disabilities, The right to liberty and security of persons with disabilities, adopted during the Committee’s 14th session, held in September 2015, Anhang zum Bericht A/72/55).Unabhängig von der Frage der Vereinbarkeit des Maßnahmenvollzugs mit der konkreten Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 lit. b letzter Halbsatz CRPD gebietet die Mitgliedschaft bei diesem Übereinkommen jedenfalls insgesamt eine besondere Bedachtnahme auf die Grund- und Freiheitsrechte von Menschen mit Behinderungen, einschließlich solcher, die im Zusammenhang mit einer psychischen Störung ein deliktisches Verhalten gesetzt haben.

Nach wiederholten Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. Urteile des EGMR vom 17.12.2009 bzw. 13.1.2011in den Fällen M gegen Deutschland, Bsw 19359/04, sowie Haidn gegen Deutschland, Bsw 6587/04) hat das deutsche Bundesverfassungsgericht in einer Grundsatzentscheidung vom 4.5.2011, 2 BvR 2365/09, das so genannte „Abstandsgebot“ vorgegeben. Die genannten Entscheidungen betrafen allesamt Fragen im Zusammenhang mit der deutschen Sicherheitsverwahrung, die für sich genommen wegen unterschiedlicher Rechtslage nicht unmittelbar für Österreich relevant waren. Das Ergebnis lässt sich aber mutatis mutandis sehr wohl auch auf den österreichischen Maßnahmenvollzug übertragen. Das Abstandsgebot bezeichnet das Erfordernis eines deutlichen Unterschiedes zwischen der Ausgestaltung des Freiheitsentzugs im Rahmen des Maßnahmenvollzugs und des Strafvollzugs. Während es sich bei der Unterbringung im Maßnahmenvollzug grundsätzlich um eine vorbeugende Maßnahme handelt, stellt die Freiheitsstrafe grundsätzlich eine Sanktion für vergangene Straftaten dar. Das Abstandsgebot manifestiert sich in mehreren Unterprinzipien bzw. –geboten, nämlich dem Ultima-Ratio-Prinzip, dem Individualisierungsgebot, dem Intensivierungsgebot, dem Motivierungsgebot, dem Trennungsgebot, dem Minimierungsgebot, dem Rechtsschutz- und Unterstützungsgebot sowie dem Kontrollgebot (vgl. Tschachler, Der österreichische Maßnahmenvollzug im Lichte der EMRK (2020), 108 ff.).

Der deutsche Gesetzgeber reagierte auf die Entscheidung des BVerfG mit dem Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5.12.2012, dBGBl I, 2425.

Der EGMR hat nun seinerseits wiederum auf die (von ihm ausgelöste) legislative Entwicklung in Deutschland (positiv) reagiert und nunmehr auch bereits zum wiederholten Male die neue Rechtslage in Deutschland, namentlich auch § 66c dStGB, anerkannt (vgl. Urteile des EGMR vom 7.1.2016 bzw. 4.12.2018 in den Fällen Bergmann gegen Deutschland, Bsw 23.279/14, sowie Ilnseher gegen Deutschland, Bsw 10211/12 und 27505/14). Außer der Gutheißung der aktuellen deutschen Rechtslage können aus den diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Fallschilderungen auch Anhaltspunkte für so etwas wie einen „Unterbringungs-Standard“ des EGMR (betreffend etwa Betreuungsschlüssel, räumliche Trennung, Wohnraumgröße udgl.) gewonnen werden.

Neben diesen deutschen Fällen sind aus jüngerer Zeit für Österreich insbesondere die gegen Österreich ergangenen Entscheidungen des EGMR vom 16.7.2015 bzw. 20.7.2017 in den Fällen Kuttner gegen Österreich, Bsw 7997/08, sowie Lorenz gegen Österreich, Bsw 11537/11, von Relevanz. Aus dem Fall Kuttner gegen Österreich kann man ein Menschenrecht darauf, nicht länger als notwendig bzw. nur möglichst kurz im Maßnahmenvollzug angehalten zu werden, herauslesen, und zwar wie eben konkret auch in diesem Fall selbst dann, wenn nach Beendigung der Unterbringung nicht die Entlassung in die Freiheit winkt, sondern lediglich die Überstellung in den Strafvollzug. Aus dem Fall Lorenz gegen Österreich kann man demgegenüber (im Zusammenhalt mit dem Fall Kuttner sowie dem vorstehend erwähnten Fall Bergmann gegen Deutschland) insbesondere Indizien für die Grenzen der Zulässigkeit des Vollzugs der Unterbringung nach §21 Abs.2 StGB in besonderen Abteilungen des Strafvollzuges gewinnen.

Die Entwicklung der letzten Jahre in Österreich war vom Streben nach Verbesserungen innerhalb des vorgegebenen Rahmens durch die Maßnahmenvollzugsverwaltung, begleitet von immer wieder aufkeimenden, aber dann doch wieder verworfenen legislativen Reformbemühungen, nicht zuletzt aber einem Ringen mit den im Wesentlichen kontinuierlich und stark, zuletzt sogar dramatisch gestiegenen Unterbringungszahlen geprägt:

Nachdem bereits in den 1990er Jahren steigende Unterbringungszahlen zu verzeichnen waren (so stieg die Zahl der nach § 21 Abs. 1 StGB und § 21 Abs. 2 StGB Untergebrachten zwischen 1990 und 2000 von 252 auf 437), ist – wie sich aus der vorstehenden Tabelle ergibt – die Gesamtzahl der nach § 429 Abs. 4 StPO vorläufig Angehaltenen sowie der nach § 21 Abs. 1 StGB und § 21 Abs. 2 StGB Untergebrachten allein in den letzten 20 Jahren von 495 auf mehr als 1400 Personen gestiegen. Damit sind nahezu dreimal so viele Personen vorläufig angehalten bzw. definitiv untergebracht als vor zwanzig Jahren. Dieser Anstieg steht in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zur Zahl der ermittelten Tatverdächtigen oder der Verurteilten.

In seinem Wahrnehmungsbericht vom 11. November 2019 hat der damalige Justizminister Univ. Prof. DDr. Clemens Jabloner dementsprechend folgende Warnung ausgesprochen: „Eine Entlastung des Maßnahmenvollzuges ist dringend erforderlich und unumgänglich. In wenigen Monaten ist nicht einmal mehr ein ausreichender Notbetrieb ohne gröbere Qualitätsverluste möglich. (….) Insgesamt ist festzuhalten, dass ein Zusammenbruch des Systems Maßnahmenvollzug droht, wenn nicht zeitnah gegengesteuert wird!

Seither hat sich die Situation weiter verschärft.

Bereits im Juni 2014 hatte der damalige Bundesminister für Justiz Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter eine Arbeitsgruppe eingesetzt, der – im Plenum und in erweiterten Fachgruppen – mehr als 40 Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Bereichen des Straf- und Maßnahmenvollzugs (insbesondere Psychiatrie, Psychologie, Justiz, Rechts- und Sozialwissenschaften, Sozialarbeit, sonstige Praxis des Strafvollzuges und des Maßnahmenvollzuges) angehörten. Aufgabe dieser Arbeitsgruppe war es, den Zustand des Maßnahmenvollzugs gemäß § 21 StGB zu evaluieren, die bestehenden Problemfelder zu identifizieren und den Reformbedarf in fachlicher, organisatorischer und legislativer Hinsicht zu erheben und zu konkretisieren.

Aufgrund des im Jahr 2015 vorgelegten Schlussberichts der Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug erarbeitete das Bundesministerium für Justiz im Jahr 2016 einen ersten Gesetzentwurf, der die meisten der von der Arbeitsgruppe ausgesprochenen Empfehlungen umzusetzen trachtete.

Der Entwurf des BMJ wurde in der Folge vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien (Univ. Prof. Dr. Helmut Fuchs, Univ. Prof. DDr. Peter Lewisch) – unter Einbeziehung weiterer Praktiker des Maßnahmenrechts und Maßnahmenvollzugs – überarbeitet und im Sinne geänderter Verhältnisse aktualisiert. Als Ergebnis der Diskussionen schlug der Entwurf eine grundlegende Neuregelung des Rechts der strafrechtlichen Unterbringung vor. Der Entwurf wurde zum einen im Sommer 2017 im Rahmen einer Enquete der Öffentlichkeit präsentiert – und auch auf der Website des BMJ veröffentlicht – und darüber hinaus einem – wegen der vorgezogenen Neuwahlen nur mehr informell möglichen – Begutachtungsverfahren unterzogen.

Das Regierungsprogramm der folgenden Legislaturperiode hob beim Stichwort „Reform des Maßnahmenvollzugs – Sicherheit der Allgemeinheit erhöhen“ als „vorrangige Zwecke der Unterbringung die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und die erforderliche medizinische Behandlung“ hervor. Der Entwurf des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien wurde in dieser Legislaturperiode im Lichte des dazu abgeführten (informellen) Begutachtungsverfahrens einerseits und des damaligen Regierungsprogramms andererseits neuerlich überarbeitet, konnte jedoch wegen des vorzeitigen Endes dieser Legislaturperioden keiner Begutachtung mehr zugeführt werden.

Das aktuelle Regierungsprogramm betont, dass Zweck der Unterbringung einerseits die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und andererseits die erforderliche medizinische Behandlung sowie die Resozialisierung sind. Das Regierungsprogramm sieht (daher) die „Überarbeitung der derzeit geltenden Rechtsgrundlagen hin zu einem modernen Maßnahmenvollzugsgesetz unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EGMR, insbesondere zum Rechtsschutzsystem“ vor, wobei folgende Punkte ausdrücklich erwähnt werden, die allerdings nur zum Teil legislativen Charakter haben und zum Teil auch Not- bzw. Übergangsmaßnahmen darstellen:

  • Berücksichtigung der Empfehlungen der Evaluierungen zu erhöhten Einweisungszahlen;
  • Enthaftung von untergebrachten Rechtsbrecherinnen und Rechtsbrechern, ausschließlich wenn durch Gutachten angenommen wird, dass keine weitere gleichartige Straftat begangen wird;
  • Verbesserung des Prozesses des Entlassungsmanagements inner- und außerhalb von Anstalten;
  • Berücksichtigung der Kosten des Maßnahmenvollzugs gemäß § 21 Abs. 1 StGB im Rahmen des Finanzausgleichs;
  • Errichtung einer weiteren Sonderanstalt bzw. eines Forensisch-therapeutischen Zentrums für den Bereich des Maßnahmenvollzugs gemäß § 21 Abs. 1 StGB in Fortführung der sogenannten „Insourcing-Strategie“;
  • Umwidmung von bestehenden Abteilungen unter Einhaltung des Trennungsgebots und höchstmögliche interne Erweiterung der Kapazitäten zur Bewältigung der Anstiege der Anzahl an Untergebrachten nach § 21 Abs. 1 und 2 StGB;
  • Errichtung baulich getrennter Departments für nach § 21 Abs. 2 StGB Untergebrachte möglichst auf dem Areal einer bestehenden Justizanstalt auf Grund steigender Anzahl Untergebrachter (JA Graz- Karlau, Stein, Garsten);
  • Verhandlung neuer Verträge zur Behandlung der Insassen in Krankenanstalten;
  • Überprüfung des Einweisungserfordernisses Anlasstat;
  • Maßnahmen zur Reduktion der Rückfallsgefahr während der Probezeit.