Was genau verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff?
Der Maßnahmenvollzug oder auch die „vorbeugende Maßnahme“ gemäß § 21 des Strafgesetzbuch (StGB) ist für Personen vorgesehen, die unter dem Einfluss einer psychischen Erkrankung oder einer geistigen Beeinträchtigung eine Straftat begangen haben.
Diese Menschen werden in Sonderanstalten, speziellen Abteilungen in Gefängnissen oder in bestimmten forensisch-psychiatrischen Abteilungen von Spitälern theoretisch unbefristet angehalten.
Die Anordnung des Maßnahmenvollzugs erfolgt zugleich mit der Urteilsverkündung. Im Gegensatz zur Strafhaft wird die Maßnahme nicht zeitlich begrenzt ausgesprochen, kann also potentiell lebenslang andauern.
Es besteht jedoch die Möglichkeit, die bedingte Einweisung unter Setzung einer Probezeit auszusprechen. Bei einer unbedingten Einweisung in eine „Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher“ hat das Gericht in der Folge zumindest einmal pro Jahr zu prüfen, ob eine weitere Anhaltung des Untergebrachten im Maßnahmenvollzug erforderlich ist.
Die rechtliche Grundlage für diese Anhaltung bildet § 21 des StGB. Dieser Paragraf nennt drei Voraussetzungen, damit jemand in den Maßnahmenvollzug eingewiesen werden kann:
1. Der Täter muss unter dem Einfluss einer psychischen Erkrankung eine Straftat begangen haben, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist. Das heißt, schon relativ „leichte“ Straftaten, wie etwa Widerstand gegen die Staatsgewalt oder die Äußerung einer gefährlichen Drohung mit dem Tod können dazu führen, dass man in den Maßnahmenvollzug kommt.
2. Der Täter muss aufgrund seiner Erkrankung als gefährlich eingestuft werden – in der Praxis übernimmt diese Beurteilung ein psychiatrischer Sachverständiger für das Gericht.
3. Es muss die Befürchtung bestehen, dass der Täter weitere schwerwiegende Straftaten begehen könnte.
Sind alle dieser Voraussetzungen erfüllt, spricht das Gericht die Einweisung des Betroffenen in den Maßnahmenvollzug aus. Dort wird er so lange angehalten, bis seine Gefährlichkeit abgebaut worden ist. Dies wird wiederum vom sogenannten Vollzugsgericht geprüft.
Zurechnungsfähigkeit
Je nachdem, ob der Täter zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der psychischen Erkrankung oder geistigen Beeinträchtigung zurechnungsunfähig war oder nicht, wird er strafrechtlich anders behandelt. Die Zurechnungsfähigkeit wird im Laufe des Gerichtsverfahrens durch einen psychiatrischen Sachverständigen geklärt.
§ 21 Abs 1 StGB:
War der Täter zurechnungsunfähig, kann man ihm seine Tat strafrechtlich nicht vorwerfen. Er bekommt daher keine in Zeit oder Geld bemessene Strafe. Wenn er aber die aufgezählten Voraussetzungen erfüllt, wird er gemäß § 21 Absatz 1 StGB in den Maßnahmenvollzug eingewiesen.
Bei diesen Tätern wird als Grunderkrankung sehr oft eine Art der Schizophrenie festgestellt. Sie begehen die Straftat meistens während eines psychotischen Schubes. Die Therapie hat im Maßnahmenvollzug erfolgt hauptsächlich medikamentös.
Für diese Untergebrachten gibt es zwei Sonderanstalten – die Justizanstalt Göllersdorf bei Wien und die Justizanstalt Asten in der Nähe von Linz. Seit kurzem gibt es auch in der JA Josefstadt eine Außenstelle der JA Göllersdorf, wo einige Personen untergebracht sind. Einige Untergebrachte werden auch in forensisch psychiatrischen Abteilungen von Kliniken angehalten, etwa im Landesklinikum Mauer in der Nähe von Amstetten.
§ 21 Abs 2 StGB
Ist der Täter zwar psychisch krank, ist ihm zum Zeitpunkt der Tat aber dennoch bewusst, dass er Unrecht begeht, bekommt er eine Freiheitsstrafe UND wird gemäß § 21 Absatz 2 StGB in den Maßnahmenvollzug eingewiesen.
Diese Täter haben zumeist eine Persönlichkeitsstörung, unter deren Einfluss sie die Straftat begangen haben. In diese Gruppe gehören auch jene Personen, die im Volksmund als „Psychopathen“ oder „Soziopathen“ bezeichnet werden. Da eine derartige Erkrankung meistens mit Medikamenten nur sehr unzureichend behandelt werden kann, steht bei nach § 21 Absatz 2 Untergebrachten die Psychotherapie in Form von Gesprächen im Vordergrund.
Für diese Untergebrachten gibt es nur eine Sonderanstalt – die JA Mittersteig in Wien mit einer Außenstelle in Floridsdorf. Zusätzlich gibt es in „normalen“ Gefängnissen eigene Abteilungen – sogenannte Departements – in denen sie angehalten werden. Dazu zählen die Departements in den Justizanstalten Graz-Karlau, Krems-Stein und Garsten in Oberösterreich.
Kritik
Seit vielen Jahren ist der Maßnahmenvollzug in der öffentlichen Kritik.Reformvorhaben werden trotz bekannter Missstände nicht umgesetzt.Menschenrechtswidrige Zustände bergen viele Probleme im Alltag der Untergebrachten und die Perspektivlosigkeit erschwert das Leben von Menschen im Maßnahmenvollzug.
Österreich wurde bereits zwei Mal wegen Missständen im Maßnahmenvollzug beim Europäischen Gerichtshof für Menschen-rechte verurteilt, auch das führt jedoch nur zu kleinen Veränderungen und zu keiner grundlegenden Reform.
Die Zahl der Untergebrachten steigt stetig an, derzeit sind über 1.400 Menschen betroffen. Die Volksanwaltschaft, zahlreiche NGOs sowie namhafte Experten kritisieren seit vielen Jahren das System.
Die Qualität der Einweisungs- und Entlassungsgutachten wird häufig kritisiert. Es gibt österreichweit auch zu wenige psychiatrische Sachverständige.
Die nun angekündigte Reform behebt nicht alle bekannten Probleme des Maßnahmenvollzugs und daher bleibt es sehr wichtig, in solchen Verfahren kompetente Beratung und Vertretung an seiner Seite zu wissen.
Wenn Sie weitere Fragen zu dem komplexen Thema Maßnahmenvollzug haben, nehmen Sie am besten Kontakt mit uns auf.
Hier können Sie die Geschichte des Maßnahmenvollzugs nachlesen.